Über die grundsätzliche Handhabung von RAW- Dateien
Frank Richardt
Nach der Lektüre meines Artikels "Warum im RAW- Modus fotografieren sinnvoll ist",
wird der eine oder andere von Euch, der sich mit dieser Materie noch nicht auskennt,
vielleicht "Blut geleckt" haben. Hier nun die Weiterführung des Arbeitsablaufes.
Los geht's!
Die Vorbereitung
Die Grundlage bildet selbstverständlich ein Foto, aufgenommen im RAW- Modus. Im Detail auf die Spezifikationen der einzelnen Kamerahersteller einzugehen, wird hier sicher zu weit führen. Daher nur einige allgemeine Worte dazu: Ich denke, zum Großteil wird in dieser Gemeinschaft mit digitalen Spiegelreflexkameras fotografiert. Meine weiteren Ausführungen beziehen sich also primär auf diese Geräte, gelten allerdings auch für Bridge- und bessere Kompaktkameras.
Über das Bedienelement zur Programmauswahl lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Modi aktivieren. Zum einen die Vollautomatik- Programme, zum anderen die Halbautomatischen und komplett Manuellen. Bei den erstgenannten wird im allgemeinen kameraintern ausschließlich im JPG- Modus gespeichert. Wir nutzen also die manuellen Einstellungen. Hierzu wird es nötig sein, dass Ihr im Kameramenü die eine oder andere Einstellung ändert. Das Gerät soll in Zukunft ja RAW- Dateien erzeugen. Auch dabei habt Ihr wieder die Qual der Wahl. Es gibt zum einen die Möglichkeit,
ausschließlich RAW- Dateien zu erzeugen. Zum anderen kann man auch zusätzlich eine JPG- Datei durch die Kamera erstellen lassen und hierbei gibt es wiederum verschiedene Qualitätsstufen. Welche Konfiguration gewählt wird, hängt vom Einzelnen ab. Wollt Ihr erstmal auf Nummer sicher gehen, lasst ruhig ein JPG mit erzeugen, seid Euch aber dessen bewusst, dass dann mehr Aufwand bei der Archivierung entsteht. Wie die Einstellungen Eurer Kamera funktionieren entnehmt bitte dem Handbuch. Einige Apparate bieten auch den TIFF- Modus an. Von diesem rate ich ab.
Die Aufnahme
Die Technik des Fotografierens unterscheidet sich in diesem Zusammenhang eigentlich nicht von dem was Ihr ohnehin schon immer getan habt. Eine verpfuschte, z. B. unscharfe Aufnahme, sei es durch Verwackeln oder falsche Fokussierung, lässt sich auch durch RAW nicht retten. Einige Unterschiede gibt es dennoch. Beim "entwickeln" des Rohbildes kann der Fotograf im nach hinein auf fast alle Parameter Einfluss nehmen. Es lässt sich z. B. der Weißabgleich verlustfrei ändern, so dass Ihr mit ruhigem Gewissen die Kamera auf automatischen Weißabgleich einstellen könnt. Die Belichtung kann im Bearbeitungsprozess je nach Aufnahme um bis zu drei! Blendenstufen heraufgesetzt oder abgesenkt werden. Dieser Umstand löst einige Probleme mit Über- oder Unterbelichtungen entbindet den Fotografen jedoch nicht vom korrekten Arbeiten. Je besser das Ausgangsmaterial ist, umso brillanter wird das Ergebnis sein.
Was "sieht" die Kamera?
Es mag einige ernüchtern oder gar erschrecken aber im allgemeinen sind unsere Kameras erstmal Farbenblind. Ein Scanner beispielsweise scannt für ein Farbbild die Vorlage drei mal ab. Einmal für den (R)ot-, einmal für den (G)rün- und einmal für den (B)lau- Kanal. Dieser Vorgang wäre theoretisch auch beim Fotografieren möglich, würde jedoch zu immensen Belichtungszeiten führen. Wir wären wieder in die Anfangszeit der Fotografie vor rund 150 Jahren zurückversetzt, wo jedes Motiv mehrere Sekunden oder gar Minuten stillhalten müsste. Kurze Verschlusszeiten wären undenkbar. Von daher gehen die Entwickler andere Wege. Der Chip der Kamera nimmt das Motiv, wie oben bereits erwähnt zunächst mal als Graustufenbild auf. Zur Verdeutlichung im Folgenden einige Bilder.
Um dem Ganzen jetzt Farbe zu verleihen, wird ein kleiner Trick angewendet. Stellt Euch das so vor: Jedem Pixel des Aufnahmechips wird eine mikroskopisch kleine Folie aufgedampft, die jeweils einen Farbauszug der drei Grundfarben (RGB) liefert. Dabei überwiegt aufgrund der Sehgewohnheiten des menschlichen Auges der Grünanteil mit 50%. die beiden anderen Farben, rot und blau, teilen sich die restliche Hälfte. Stark vereinfacht sieht's dann in etwa so aus: (wir reden hier über Pixelmengen im Millonenbereich - meine Grafiken haben lediglich 324 Felder)
Rotkanal
Grünkanal
Blaukanal
Ob Ihr's glaubt oder nicht, lediglich ein Drittel des späteren Fotos wird so vom Chip aufgenommen. Die restlichen ca. 66% werden durch die Software errechnet (interpoliert). Unglaublich, dass unsere Bilder dann trotzdem so gut aussehen wie Sie aussehen, oder? Der Interpolationsvorgang wird dabei unweigerlich von einer Weichzeichnung und einer Verminderung der Farbsättigung begleitet.
RGB gesamt
interpoliert
Links seht Ihr meine Simulation mit allen drei Kanälen. Mit gutem Willen, ist das Motiv ansatzweise zu erkennen. Rechts das interpolierte Bild (unglaublich, aber wahr) mit schwachen Kontrasten und flauen Farben. Ab hier trennen sich nun die Wege. Entweder Ihr überlasst die Berechnungen der eingebauten Software- Routine Eurer Kamera oder Ihr greift jetzt ein.
Die Entwicklung
Ich habe die Überschrift bewusst gewählt, denn einige Parallelen zur analogen Fotografie sind durchaus vorhanden.
„Nun habe ich eine Rohdatenaufnahme gemacht und mein Werkzeug, das Bildbearbeitungsprogramm, öffnet die nicht mal. Was mache ich falsch?“ So mag sich der frustrierte Anwender fragen. Die Antwort ist einfach: gar nix! Um die Datei "entwickeln" zu können,
braucht Ihr eine spezielle Software, genannt RAW- Konverter. Damit wird das Rohformat mit den verschiedensten Parametern durch Euch interpretiert (entwickelt) und dann erst in eine software- und plattformübergreifende Datei konvertiert. In aller Regel im JPG- oder TIFF- Format.
Rohdaten sichern
Bevor wir weiter in's Detail gehen, sind noch einige andere Überlegungen ratsam. Jeder Fotograf hat im analogen Zeitalter der Kameras seine Negative gehütet wie seinen größten Schatz. Ähnlich sollte man heute ach mit den digitalen Bildern verfahren.
RAW- Dateien gibt es in den verschiedensten Varianten. Jeder Kamerahersteller kocht hier sein eigenes Süppchen und lässt sich von der Konkurrenz dabei nicht in den Topf gucken. Das führt dazu, dass sich je nach Kameratyp die erzeugte Bilddatei unterscheidet und ein anderes Suffix (Dateiendung) trägt. Bei Canon heißt das Format z. B. *.CR2, bei Nikon *.NEF, Pentax trägt den Namen *.PEF, Olympus *.ORF (soll reichen).
Alle Hersteller entwickeln ihre hauseigenen Formate ständig weiter. Und die Softwarehersteller ziehen mit. Unterm Strich kommt dabei eine vorhersehbare Problematik zustande. Irgendwann sind die Computerprogramme vermutlich nicht mehr abwärtskompatibel und Ihr könnt dann u. U. Eure alten, sorgsam archivierten, gehegten und gepflegten RAW- Bildsammlungen nicht mehr öffnen. Dieses Szenario ist nicht ausgeschlossen. Es kann auch passieren, dass Hersteller von Betriebssystemen, die grundsätzliche Architektur ihrer Software ändern. Dann wären unter Umständen ältere Computerprogramme nicht mehr lauffähig. MAC-User haben das vor nicht allzu langer Zeit erlebt.
Was kann man tun? Der führende Softwarehersteller in Sachen Bildbearbeitung, Adobe, hat ein Rohdaten- Bildformat entwickelt und den Code dafür offen gelegt. So ist es jedem Soft- und Hardwarehersteller möglich, Anwendungen für diesen Standard zu erstellen bzw. anzupassen. Adobe Photoshop ist die meistgenutzte Bildbearbeitungssoftware weltweit. Wohl kaum ein ernstzunehmender Anwendungs- oder Geräteentwickler auf dem Fotosektor kann sich leisten, dieses Unternehmen zu ignorieren. Der durch Adobe entwickelte RAW- Standard nennt sich *.DNG (DigitalNeGativ). Die Resonanz stimmt zuversichtlich. Immer mehr Anwendungen unterstützen diesen Standard. Ja, einige Kameras, z.B. meine kleine Casio Exilim, speichern sogar schon intern in diesem Format.
Was bedeutet das nun für unseren Arbeitsablauf?
Hier eine kurze Schilderung des von mir praktizierten Workflows: Nach dem Überspielen der Dateien auf den Rechner, werden die Bilder kurz gesichtet. (Dazu ist natürlich eine Bildbrowser nötig der RAW- Bilder anzeigen kann.) Generell alle unscharfen Bilder, es sei denn die Unschärfe ist gewollt, und sonstige unbrauchbare Aufnahmen, werden rigoros gelöscht. Anschließend konvertiere ich alle übrigen in einem Rutsch ins DNG- Format auf eine andere, in meinem Fall externe, Festplatte. Damit habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens habe ich eine Sicherungskopie erstellt und zweitens in einem zukunftssicheren Format gespeichert. Für diese Aufgabe bietet die Firma Adobe den kostenfreien DNG- Converter zum Download an. Es lässt sich sogar die originale RAW- Bilddatei mit in die DNG einbetten. Doch Vorsicht, die Datei wird dann logischer weise doppelt so groß.
Ihr habt jetzt mindestens eine eventuell auch zwei oder drei verschiedene Dateien von einem Bild auf Eurem System. So könnte das aussehen:
_MG_5625.cr2 Original (hier Canon) RAW- Datei
_MG_5625.dng (eventuell) konvertiert nach Adobe DNG
_MG_5625.jpg (eventuell) wenn von der Kamera mit erstellt
Sieht es so bei Euch aus? Wie auch immer. Weiter geht’s!
Nach soviel Theorie kommen wir nun zu unserem eigentlichen Werkzeug, dem RAW- Konverter. Wie zu vermuten war, gibt es auch hier eine Riesenauswahl. Allerdings werdet Ihr (vielleicht mit meiner Hilfe) das Überangebot rasch einschränken.
Fangen wir mit dem an, was aus meiner Sicht, am logischsten ist. Jeder Kamerahersteller legt seinem Produkt ein Softwarepaket bei bzw. bietet zumindest ein Downloadpaket im Internet an. Hier findet Ihr mit einiger Sicherheit einen hauseigenen Konverter Eurer Kameramarke. Von der Nutzung dieser Programme rate ich generell ab. Es mag Ausnahmen geben, aber selbst die besten Hardwarehersteller sind in den wenigsten Fällen Software- Experten. Vielfach wird das Know How extern eingekauft und die Produktion stiefmütterlich behandelt. Schließlich will man sein Geld mit den Kameras verdienen. Um beim Beispiel Canon zu bleiben: Hier heißt das Programm „Digital Photo Professional“. Und da sind wir auch gleich bei einem, aus meiner Sicht, relativ schlechten Beispiel. Zwar ist das Programm gut und umfangreich ausgestattet, viel mehr Positives vermag ich allerdings nicht darüber zu sagen. Es ist unübersichtlich und erfordert eine lange Einarbeitungszeit. Darüber hinaus zwingt es, wahrscheinlich aufgrund mangelhafter Programmierung, selbst gut ausgestattete Computer gnadenlos in die Knie.
Selbstverständlich kommen wir auch in diesem Abschnitt am Platzhirsch von Adobe nicht vorbei. Adobe Photoshop ist mit einiger Sicherheit die beste Bildbearbeitungssoftware überhaupt. (Leider auch die teuerste.) Ich kann dieses Programm nur jedem, der sich ernsthaft und langfristig mit digitaler Fotografie und Bildbearbeitung beschäftigen möchte, empfehlen. Leider seid Ihr nach dem Kauf der derzeit aktuellen Version CS5 um ca. 1000,-€ ärmer. Wer in der glücklichen Lage ist, die Anforderungen für den Erwerb einer so genannten Teacher and Student- Edition zu erfüllen, bekommt das gleiche Paket z. Zt. für 279,-€. Auch gibt es immer wieder solcherart Angebote in Verbindung mit der Belegung eines Photoshop- Kurses an der Volkshochschule. Zum Kern: Photoshop hat einen sehr guten RAW- Konverter und auch ein Bildverwaltungs- und Betrachtungsmodul, genannt Bridge, an Bord. Macht Euch allerdings auf eine ziemlich intensive Einarbeitungsphase gefasst. Den Umgang mit diesem Programm lernt man nicht in einer Woche. Alternativ bietet Adobe mit dem Programm „Photoshop Elements“ eine bezahlbare Variante an. Hier sind einige Features der großen Schwester einfach weggelassen worden.
Trotz allem immer noch ein großartiges Werkzeug mit integriertem RAW- Konverter. Kostenpunkt der aktuellen Version 9 ca. 70,-€. Es gibt auch noch was dazwischen. Mit „Ligthroom“ bietet Adobe eine sehr interessante Software an. Sie besteht u. a. aus einem sehr leistungsfähigen Bildverwaltungs-modul, einem Top RAW- Konverter (prinzipiell der gleiche wie im Photoshop) und ist sehr intuitiv zu bedienen. Der Hauptvorteil dieses Programms liegt darin, dass vom Einlesen der Bilder über eine umfassende Archivierung und RAW- Konvertierung bis hin zur Endausgabe alles unter einer Oberfläche stattfindet. Das Ausgabemodul kann sogar komplette Web- Fotogalerien erstellen. Eine detaillierte Bildbearbeitung mit Masken, Ebenen, diversen Filtern und Bearbeitungsoptionen sucht man hier allerdings vergeblich. Ligthroom liegt derzeit in der Version 3 vor und kostet ca. 300,- €. Eine letzte Bemerkung zu Adobe: Alle Programme kann man von deren Webseite nach einer Registrierung als Testversion runterladen und nach der Installation 30 Tage auf Herz und Nieren testen.
Die Wurzel der letzten von mir vorgestellten Variante an einen RAW- Konverter zu kommen, liegt wie vieles heutzutage im Internet. Mit wachsender Begeisterung der User für RAW erscheint auch hier eine Vielzahl von entsprechenden Programmen. Die Auswahl ist nahezu unübersehbar. Ich habe mich speziell für dieses Projekt auf die Suche gemacht und bin in der Tat fündig geworden. Meine Wahl fiel auf den Konverter mit dem Namen „RAWTherapee“. Im Web konnte ich dazu einige positive Kritiken lesen. Der Programmierer hat sich offenbar bei der Entwicklung stark an Lightroom orientiert. Jedenfalls ist die Oberfläche ähnlich innovativ und intuitiv zu bedienen. Was den letztendlichen Ausschlag zu meiner Entscheidung gegeben hat, ist die Tatsache, dass es eine Freeware ist und damit völlig kostenlos. Wir werden uns also im Weiteren, wenn Ihr mir folgen wollt, damit beschäftigen.
Downloads
Adobe DNG-Converter:
Adobe Photoshop CS5:
Adobe Photoshop Elements:
Adobe Lightroom:
RAWTherapee:
http://www.adobe.com/de/products/dng/
http://www.adobe.com/de/downloads/
http://www.adobe.com/de/downloads/
http://www.adobe.com/de/downloads/
http://www.rawtherapee.com
RAW Therapee
Download: Über den oben angezeigten Link kommt Ihr zur Homepage des Anbieters. Hier auf den Button "DOWNLOAD" klicken. Die Datei findet Ihr hier ziemlich weit unten :
"Download:
Windows version can be downloaded here (SSE support). "
Zur Dokumentation gelangt Ihr dann, wer hätte es gedacht, über den Button "Documentation." Hier versteckt sich der Link an dritter Stelle:
"Benutzerhandbuch für RT v2.4.1 (german), last change: 2009-10-21"
Die oben angegebene Internetseite zu RAWTherapee ist in englischer Sprache. Auch die Software in der Grundkonfiguration. Aber nur keine Sorge, es ist ein deutsches Sprachpaket mit an Bord.
Installation: nach Doppelklick auf die Datei rawtherapee241.exe läuft die übliche Installations-Routine.
Ich habe mich für das Anlegen eines Desktopicons entschieden. Mit angenehmen Nebeneffekt. Solange ich mich mit Bildbearbeitung beschäftige, habe ich es noch nicht geschafft, den Farbkreis auswendig zu lernen. Die Kenntnis über die Anordnung der Farben ist bei der Bildbearbeitung durchaus von Vorteil. Mit dem Icon hat man eine Gedankenstütze auf seinem Desktop.
Doppelklicken wir nun auf das Icon und öffnen damit das Programm.
Desktopicon RAW Therapee
Konfiguration
Ich empfehle einige Einstellungen vorzunehmen. Dazu auf „Preferences“ (hier rot markiert) klicken.
Mindestens zwei Optionen sollten geändert werden. Mit Klick auf die Pfeile im Menu "select Language" (oberster Kreis könnt Ihr die deutsche Sprachdatei aktivieren. Mit der zweiten gekennzeichneten Option könnt Ihr die Hintergrundfarbe der kompletten Benutzeroberfläche ändern. Ich empfehle hier "light".
Alles andere kann zunächst so bleiben. Nun unten links auf "save" klicken. Danach "OK". Jetzt Das Programm schließen und neu starten. Damit seid Ihr bereit, Eure erste RAW- Datei zu bearbeiten. Viel Spaß und viel Erfolg.
So sollte es aussehen.
Wer mehr über RAWTherapee und den Funktionsumfang de Programms erfahren möchte sollte sich zunächst die zweite herunter geladene Datei ansehen. Der Name "RawTherapeeHandbuch_2.4.pdf" sagt hier schon aus, worum es geht.
fröhliches Pixelschubsen wünscht Euch
Frank Richardt